Warum das Komitee hinter der Milchkuh-Initiative eben doch recht hat

03.11.2013


Die Schweiz befindet sich momentan mitten in der Diskussion über die Verteuerung der Autobahnvignette von 40 Franken auf 100 Franken und dem damit zusammenhängenden Netzbeschluss. Nicht selten ist dabei auch die Rede davon, wie fest die Autofahrer bereits gemolken und mit Steuern und Abgaben belastet werden. Und während all dieser Diskussionen sitzt uns bereits das nächste Schreckgespenst im Nacken: Das von Auto Schweiz und mehreren Wirtschaftsverbänden lancierte und, wie ich später noch aufzeigend werde, sehr treffend „Milchkuh-Initiative“ benannte Volksbegehren verlangt die vollständige Zweckbindung von sämtlichen im Strassenverkehr anfallenden Steuern und Abgaben wie Mineralölsteuer und Autobahnvignette. Dies hauptsächlich mit dem Argument, der Strassenverkehr finanziere sich, im Vergleich zum ÖV, vollständig selbst. Genau in dieser Fehlanalyse liegt das Übel der heutigen Verkehrspolitik.
Milchkühe zählen in der Schweiz zu den wohl am meisten subventionierten Objekten überhaupt. Den InitiantInnen der Milchkuh-Initiative muss deshalb zumindest etwas zugestanden werden: Gegen ihren Willen bringen sie das Problem des übersubventionierten Individualverkehrs auf die politische Agenda. Genau wie Milchkühe werden nämlich die AutomobilistInnen mit unglaublichen finanziellen Mitteln subventioniert, was zu zunehmendem Strassenverkehr, mehr Stau und damit auch erhöhter Belastung der Umwelt führt. Kann sich die Schweizer Verkehrspolitik weiterhin solche Fehlanreize leisten? Nun, betrachten wir die Kostenstruktur des Automobilverkehrs etwas genauer.
Der Hauptteil der Kosten für den Strassenverkehr wie Investitionen und Unterhaltskosten wird tatsächlich nach dem Verursacherprinzip via Mineralölsteuern und Vignette eingetrieben.
Ein grosser Teil der Einnahmen aus diesen Quellen, gemäss dem Milchkuh-Komitee 6.5 der insgesamt 10 Mrd. Fr., fliessen nicht zweckgebunden in die Bundeskasse. Die Aufregung ob dieser Tatsache ist soweit verständlich, greift aber viel zu kurz.
Ein riesiger Teil der Kosten des Individualverkehrs wird nämlich aus der übrigen Staatskasse bezahlt, zu grossen Teilen auch von den Kantonen. Darunter fallen die Kosten für Unfälle, Installationen wie Lichtsignale und ähnliches, zusätzliches Personal für die Polizei (insbesondere die Autobahnpolizei), für die Reinigung der Strasse und der enorme Flächenverbrauch für die Strasseninfrastruktur, welcher andere Bauten verhindert. Zum Vergleich: Während ein Velofahrer gemäss Prof. Dr. Anton Gunzinger im Schnitt 10 m2 und ein Benutzer des ÖV 25 m2 verbraucht, benötig ein Automobilist unglaubliche 120 m2.
Der Elektroingenieur Gunzinger hat mit all diesen Kostenstellen eine Gesamtrechnung durchgeführt mit dem Ziel, einen fairen Preis für Benzin zu berechnen. Dieses müsste zur Deckung aller volkswirtschaftlichen Kosten so stark besteuert werden, dass der Preis pro Liter auf zwölf Franken stiege. Eine erhebliche Verteuerung des Autoverkehrs lässt sich also mit dem Verursacherprinzip begründen. Würde die Schweiz jedoch im Alleingang den Benzinpreis um gut 10.- pro Liter erhöhen, hätte das dramatische Auswirkungen. Das Tanken im Ausland würde sich selbst für Leute lohnen, welche im Zentrum der Schweiz leben. Dies scheint also keine gangbare Lösung zu sein.
Nach verschiedensten Überlegungen kommt man zum Schluss, dass nur Road Pricing die Fehlanreize ohne dramatische Auswirkungen aus dem Weg schaffen kann. Die technischen Voraussetzungen hierzu bestehen bereits. Es ist nur eine Frage des Willens! Bekommt man am Ende jedes Monats eine Rechnung für die gefahrenen Kilometer, beginnt man sich jedes Mal zu überlegen ob es sich nun lohnt, das Auto zu nehmen.
Viele Leute werden nun aufschreien und sagen, dieses System sei unsozial. Natürlich kann man diese Rechnung zusätzlich noch progressiv nach Einkommen differenzieren. Ebenfalls ist darin der Benzinverbrauch beziehungsweise der CO2-Ausstoss noch nicht berücksichtigt. Dies ist jedoch nur noch ein Problem der Ausgestaltung. Durch eine Verrechnung des Rechnungsbetrags mit dem Verbrauch werden so auch Anreize für den Kauf von effizienten und sparsamen Autos geschaffen.