Für eine ökosozialistische Wende

20.02.2019

Der Klimawandel stellt die Menschheit vor gewaltige Herausforderungen. Doch die bürgerlichen Parteien sind dieser Herausforderung nicht gewachsen: Ihre Massnahmen sind entweder wirkungslos oder so feindlich gegenüber Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen, dass sie die breite politische Unterstützung für Klimapolitik untergraben. Dies müssen wir um jeden Preis verhindern, indem wir ein ökosozialistisches Programm für die Mehrheit der Menschen zur Debatte stellen. Es soll unter anderem Arbeitszeitverkürzungen, Investitionen in Kinderkrippen und Schulen sowie in den öffentlichen Verkehr beinhalten.
Das Jahrzehnt ab 2020 wird das wichtigste in der jüngeren Menschheitsgeschichte. Bis 2030 müssen wir unsere Emissionen von CO2 und anderen Klimagasen um fast 50% reduzieren, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Wer voraussichtlich noch mehr als 30 Jahre auf diesem Planeten verbringt, weiss: Es geht um die Zivilisation, wie wir sie uns gewohnt sind. Trotz der gewaltigen Herausforderung haben die Bürgerlichen noch nicht begriffen, woher der Wind weht. So begegnen uns immer wieder dieselben zwei Typen von Klimasaboteur*innen, wie die Financial Times im Dezember 2018 feststellt: Die einen sind blind und leugnen den Klimawandel, die anderen täuschen die Menschheit ins Verderben, indem sie nur vorgeben, das Problem lösen zu wollen.
In der nationalen Politik in der Schweiz sind die Rollen klar: Die FDP hat das CO2-Gesetz bis zur Unkenntlichkeit verwässert, angeblich aus Interesse an einer Lösung (die Maske fiel rasch, sogar die bürgerlichen Medien haben das Spiel durchschaut). Die SVP war von vornherein gegen jegliche Massnahmen. Die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg hat es treffend formuliert: Politiker*innen sind teilweise so unreif, dass ihnen Kinder das Ausmass der Bedrohung erklären müssen. Wichtiger als fehlende Reife sind bei FDP und SVP aber knallharte Interessen: Sie schützen ihre Klientel aus Industrie und Öllobby bei ihren Verbrechen gegen die Menschheit. Diejenigen, die am meisten vom Zeitalter des Billigöls auf Kosten anderer profitiert haben, sollen die Kosten für die Anpassung nicht bezahlen müssen. Als Teil einer ökosozialistischen Linken kann man aus der Sabotage unserer Klimapolitik nur einen Schluss ziehen: Wir verschwenden kritische Zeit, wenn wir auf einen Kompromiss mit der FDP und SVP warten. Der Klimakompromiss ist tot. Doch welche neuen Herausforderungen kommen damit auf uns zu?
Unser ökosozialistisches Programm muss nicht nur den CO2-Ausstoss bis 2050 auf netto Null senken, sondern auch eine politische Mehrheit finden. Es reicht nicht, dass diese Mehrheit passiv zustimmt; wir alle müssen gemeinsam durch Streiks, Demonstrationen, Konsumboykotts und die Abstrafung an der Urne den Druck auf die Klimasaboteure bis ins Unerträgliche erhöhen. Dass das der einzige Weg ist, zeigt das orientierungslose Verhalten der Mitteparteien. Ihre Suche nach den technisch schönsten und ökonomisch effizientesten Lösungen mag ästhetisch interessant sein; allerdings fehlt uns schlicht die Zeit für Schönheitswettbewerbe. Und um eine FDP zu überzeugen, die das Kapital im Zweifel auch mit dreisten Lügen deckt, dürfte selbst grünliberale Ästhetik nicht reichen. Zudem zeigen die Gelbwesten in Frankreich, dass der ökologische Umbau auf Kosten der Menschen mit tiefen und mittleren Einkommen unmöglich ist.
Die bürgerliche Politik kennt den menschgemachten Klimawandel seit mindestens 30 Jahren und ihr politisches Versagen ist offensichtlich. Damit liegt die Verantwortung bei uns. Denn die Zeit drängt. Wir müssen so schnell wie möglich mit allen progressiven Organisationen in der Schweiz ein Programm von umfassender Klimagerechtigkeit vorlegen und zur Wahl stellen. Ich halte folgende Forderungen für wichtige Bestandteile eines solchen Programmes:

  • Einen Ausbau des öffentlichen Verkehrs, finanziert über zusätzliche Steuern auf Kapital und hohe Einkommen

  • Die SBB beteiligen sich an der Nachtzugsparte der ÖBB und bauen ein Nachtzugnetz auf, das innereuropäische Flüge überflüssig macht.

  • Eine Verkürzung der Arbeitszeit auf nationaler Ebene, damit Wohlstandsgewinne für Freizeit statt für klimaschädliche Konsumgüter verwendet werden

  • Eine Besteuerung von CO2 -Emissionen und die Rückverteilung der Einnahmen als bedingungslose Dividende

  • Ein massiver Ausbau der öffentlichen Beschäftigung im Gesundheitswesen und in Kinderkrippen

  • Staatliche Investitionen in Innovation und erneuerbare Energien (auf nationaler Ebene finanziert durch Anleihen, die direkt von der SNB aufgekauft werden)

  • Berufsbildung, Universitäten und Fachhochschulen konsequent auf die Bekämpfung der Klimakrise ausrichten


Im Baselbiet bedeutet das, dass die Planung neuer Strassen oder des Bahnanschlusses an den EuroAirport sofort abgebrochen werden müssen. Stattdessen stellen wir die Mittel für staatliche Innovationen, einen Ausbau der Universität Basel und der FHNW im Bereich der erneuerbaren Energien und den öffentlichen Verkehr im Unter- und Oberbaselbiet bereit. Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass die bürgerliche Mehrheit weiterhin gestrandete Infrastrukturen baut, die wir wegen der Verkehrs- und Klimawende in wenigen Jahren nicht mehr benutzen können. Die Zeit drängt. Ein Wahlsieg wird wohl nicht reichen, um die politische Wende zu schaffen. Aber eine politische Wende ohne einen Wahlsieg am 31. März wird praktisch unmöglich.
Joël Bühler, Landratskandidat im Wahlkreis Liestal