Ein Mindestlohn für Lernende

05.08.2015

Standpunkt von Patrick Feld in der bz
In den beiden Basel misslingt es den Unternehmen immer öfter, Lehrstellen für handwerkliche Berufe zu besetzen. Kein Wunder, sind doch in den letzten Jahren die Anforderungen an die akademische Leistung gestiegen. Eine Abgängerin oder ein Abgänger aus dem Sekundarschulniveau A hat oftmals, trotz grossem handwerklichem Geschick, schlechte Chancen, eine Lehrstelle zu kriegen. Dabei wird von Lehrbetrieben stärker gewichtet, was im Abschlusszeugnis steht als die für den Beruf erforderlichen Fähigkeiten.
Ziel einer Berufslehre ist es, Jugendlichen eine praxisnahe Ausbildung mit guten Startchancen zu ermöglichen. Dabei versagt der Arbeitsmarkt nicht nur wegen falschen Anforderungen an die Lernenden. Auch die Qualität der Ausbildung und die Wertschätzung der geleisteten Arbeit sind in vielen Berufen mangelhaft. So müssen Lernende häufig unbezahlt Überstunden leisten, berufsfremde Arbeiten verrichten und werden dazu sehr schlecht bezahlt. Gerade am Beispiel des Coiffeurs und der Coiffeuse lässt sich das eindrücklich illustrieren. Im Rahmen der JUSO-Lernendenkampagne haben wir auch mit Lernenden dieser Berufsrichtung gesprochen. Dabei wurden wir mit Fällen konfrontiert, wo Lernende wochenlang den Salon wischen mussten. Natürlich gehört das Wischen nach einem Schnitt zum Beruf des Coiffeurs oder der Coiffeuse, werden Lernende aber nur als billige Arbeitskraft gebraucht anstatt ausgebildet, verliert ein solcher Beruf aber deutlich an Attraktivität.
Aus Sicht der Unternehmen ist klar, dass sich Lernende mit möglichst einwandfreien Zeugnissen lohnen. Schliesslich werden diese in der Berufsschule weniger Mühe haben, was im Sinne des Unternehmens ist. Wird aber tatsächlich der Fokus so stark auf die Schulnoten gelegt, rückt der grösste Vorteil der Berufslehre in den Hintergrund: die praxisnahe Ausbildung im Betrieb. Für Lernende bietet gerade das fundierte Erlernen eines zukunftsfähigen Berufs die Motivation, sich für eine Lehrstelle zu bewerben. Werden dabei Abstriche gemacht, sinkt der Wert einer Berufslehre für den Lehrling stark. Wenn wir für unsere Lernendenkampagne an Berufsschulen sind, fällt uns etwas auf: Die Mehrheit der Lernenden ist mit der Ausbildung nicht wirklich glücklich. Alle sehen sie die Vorteile einer Berufslehre. Die Bedingungen lassen aber häufig zu wünschen übrig. In Berufen mit hohem sozialen Prestige oder guten Verdienst- und Weiterbildungsmöglichkeiten tritt diese Unzufriedenheit seltener an die Oberfläche. Sobald diese Kompensation für die schwierige Lehrzeit aber fehlt, sind Lernende nicht bereit, ihre Ausbildung in die Hände von teilweise verantwortungslosen und von Fehlanreizen getriebenen Unternehmen zu geben. Um die oben genannte Fehlentwicklung zu bekämpfen, müssen wir an verschiedenen Orten ansetzen. Einerseits muss für Lernende dringend ein Mindestlohn eingeführt werden. So steigt der Anreiz für eine Berufslehre und Lernende können nicht mehr als billige Arbeitskräfte missbraucht werden. Daneben muss aber gerade auch die Aufsicht über die Lehrverhältnisse verbessert werden. In der Lehraufsichtsbehörde müssen auch Gewerkschaften vertreten sein. Damit kann verhindert werden, dass Jugendliche nur berufsfremde Arbeiten verrichten müssen. So rückt die Berufspraxis wieder in den Vordergrund. Gleichzeitig werden Unternehmen zu besserer Auswahl der Lernenden gezwungen. So wird die Wahl eines Lernenden nicht einfach mit guten Schulnoten begründet, sondern es zählt die Frage, ob er den Beruf gut erlernen und ausführen könnte.