Asyldebatte: unbeirrt für die humanitäre Tradition der Schweiz

20.08.2015

Blog von Nationalratskandidatin Anna Toebak aus Liestal
Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht über Flüchtlingsströme berichtet wird. Das Thema kommt nicht mehr aus den Schlagzeilen weg und wird das auch nicht so bald wieder. Die Debatte rund ums Asylwesen wird immer menschenverachtender. So viele scheinen zu wissen, wie unser Asylsystem eigentlich funktionieren müsste und dass die meisten Flüchtlinge gar keine richtigen Flüchtlinge sind (fragt mich nicht, wieso sie sonst unter schrecklichsten Bedingungen in Schlauchbooten nach Europa gekommen sind, in Länder, wo sie nicht gerade gastfreundlich empfangen werden).
[caption id="attachment_3009" align="alignright" width="401"] Bild: Daniel Etter/New York Times[/caption]
Kürzlich habe ich auf der Strasse mit jemandem gesprochen, der ebenfalls die Deutungshoheit in Sachen Flüchtlingen für sich gepachtet hatte. Als ich darauf hinwies, dass auch Asylsuchende Menschen sind, sagte er abschätzig, dass wir Linken das doch immer sagen würden. – Aber es ist nun mal einfach so: Asylsuchende sind wirklich nichts anderes als Menschen, die unseren Schutz und Hilfe brauchen. Ich finde, dass man das nicht oft genug wiederholen kann, es scheint deutlich noch nicht bei allen angekommen zu sein. Ich will nicht, dass die humanitäre Tradition der Schweiz unter die Räder kommt. Wir dürfen nicht aufhören, daran zu erinnern.
Das Flüchtlingsproblem ist ein riesiges, weltweites Problem. Laut der UN-Flüchtlingshilfe sind weltweit 60 Millionen Menschen auf der Flucht, so viele Flüchtlinge wie noch nie zuvor. Hinter dieser Zahl steckt unglaubliche menschliche Not. Seit dem 2. Weltkrieg gab es weltweit nicht mehr so viele Konflikte. So lange dies andauert, werden immer mehr Menschen zur Flucht getrieben. Sie können schlicht nicht mehr in ihrer Heimat weiter leben, weil es diese Heimat oft schlicht und einfach nicht mehr gibt. Wer behauptet, dass Flüchtlinge nur hierherkommen, um von unserem Sozialsystem zu schmarotzen, sollte sich vielleicht einmal vor Augen führen, was es bedeutet alles hinter sich zulassen, um ins völlig Unbekannte aufzubrechen, sich dazu irgendeinem zwielichtigen Schlepper anzuvertrauen und immense Gefahren auf sich zu nehmen.
Die weitaus meisten Flüchtlinge bleiben übrigens in ihrem Land oder fliehen ins Nachbarland. Fast neun von zehn Flüchtlingen bleiben in Entwicklungsländern, die oft kaum dafür eingerichtet sind so viele Flüchtlinge bei sich selber aufzunehmen, da die Situation oft auch nicht viel besser ist. So hat der Libanon 2014 1.15 Mio. Flüchtlinge aufgenommen, Tendenz steigend, eine enorme Zahl bei 4 Mio. Libanesen. Vor diesem Hintergrund ist es wirklich nicht zu viel verlangt, dass auch die Schweiz, als reiches, sicheres Land Flüchtlinge aufnimmt und ihnen eine reale Perspektive bietet. Noch vielmehr ist es unsere Pflicht als Teil der Weltgemeinschaft.
Wir müssen endlich den Tatsachen ins Auge blicken: Flüchtlinge sind ein Phänomen unserer Zeit, dem wir nicht ausweichen können. Und: Ja, es werden wohl leider noch mehr werden. Das ist ganz klar eine Folge der Globalisierung. Natürlich führt zusätzliche Mobilität zu mehr Flüchtlingen. Nun kommen sie auch in die reichen Länder, die bis anhin unerreichbar und somit fein raus waren. Damit müssen wir uns arrangieren und uns darauf einstellen, viele schutzbedürftige Menschen bei uns aufzunehmen und in unsere Gesellschaft effektiv zu integrieren. Das können wir! Einfach generell gegen „Asylanten“ zu sein, wie es viele eher rechtsgerichtete Politiker zu tun pflegen, ist dabei kaum zielführend. Vielmehr müssen wir die Solidarität unter den Menschen pflegen. Weil, wie schon gesagt, Asylsuchende Menschen sind, wie wir auch. Sie haben das Recht auf unsere Unterstützung. Das ist wirkliche Humanität – oder ganz einfach Menschlichkeit.